In Wollsocken und Nachthemd – die Geburt unseres dritten Kindes
Schon sehr früh während der Schwangerschaft war uns klar, dass wir eine Hausgeburt möchten. Unser erster Sohn ist in einem Krankenhaus geboren worden. Beim ersten Mal war ich etwas unsicher und konnte mir eine Hausgeburt im Studenten WG-Zimmer nicht vorstellen. Was folgte waren eine Nacht und einen ganzer Tag Wehen, Wehentropf, PDA und Geburtsverletzungen, die genäht werden mussten. Tagelang konnte ich kaum aufstehen. Unser 2. Sohn kam dann daheim in unserem Haus zu Welt. Mit der Gewissheit, das schaff ich auch beim 3. Kind, haben wir uns dann mit Margaretha getroffen.
Mitten in der Schwangerschaft kam dann auch der noch Bundesweite Corona-Lockdown mit Beschränkungen für Krankenhausbesucher. Für uns stand dann noch mehr fest. Auf jeden Fall zu Haus!
Wie auch schon bei unserem 2. Sohn, habe ich mich vorsorglich im Krankenhaus angemeldet. Diesmal ohne persönliche Besichtigung. Nur für den Fall der Fälle – einer Verlegung ins Krankenhaus unter der Geburt.
Die Schwangerschaft verlief ohne Probleme, nur gegen Ende wurde es etwas beschwerlich. Alles war anstrengend. Wie bei vielen Familien hatten wir nun schon fast 3 Monate die großen Jungs daheim.
An einem Montag, 10 Tage vor dem errechneten Termin, spürte ich dann am Nachmittag gegen 15.00 Uhr Wehen, starke Rückenschmerzen und Druck in den Beckenboden, keine Übung. Sofort dachte ich – Geht’s jetzt los? Ich war bereit!
Ich bin dann mit meinem Mann 1 Std. spazieren gegangen. Ab und zu musste ich stehen bleiben und Wehen weg atmen. Scherzhaft habe ich meinen Mann gefragt, ob er bereit ist. Er hat es nicht für voll genommen. Er dachte es wären Übungswehen. Mir war in diesem Moment klar. Es geht los. Wir bekommen unser 3. Kind. Anders als beim ersten Mal konnte ich während den Wehen entspannen, es zulassen, immer an Öffnung denken, den Schmerz zulassen.
Wir haben dann noch gemeinsam alle zu Abend gegessen. Ich hatte schon sehr regelmäßige kräftige Wehen. Dann haben wir noch mit der Oma geskypt. Weiterhin hatte ich starke regelmäßige Wehen. Mein Mann hat die Jungs ins Bett gebracht. Als die schliefen, habe ich Margaretha das erste Mal angerufen. Aber noch wollte ich nicht, dass sie kommt. Erst mal wollte ich noch abwarten und in die Badewanne. Wir wollten danach noch mal telefonieren.
Im Vorfeld haben wir uns den Kopf zerbrochen, was würde mit den Jungs, wo wären sie unter der Geburt. Soll der große (6) dabei sein oder nicht? Nachbarn und Arbeitskollegen waren für alle Fälle bereit.
Mein Mann hat James Bond geschaut, bis ich ihn angeschnauzt habe, ich kann so keine Wehen haben. Aus der Erfahrung der letzten beiden Geburten wusste er, dass er nicht viel für mich tun kann. Ich brauch vor allem meine Ruhe. Um 22.30 Uhr habe ich dann noch mal Margaretha angerufen. Ich hatte starke Wehen ca. alle 6 Min. Ich war unsicher ob Margaretha jetzt schon kommen soll. Erst mal nicht. 5 Minuten später rief ich sie wieder an: Bitte komm!
Wir wohnen etwas abgelegen. Gegen 23.30 Uhr war Margaretha dann da. Meine Wehen waren in der letzten Stunde deutlich intensiver geworden. Der vertraute Druck nach unten war jetzt noch stärker. Margaretha hatte sich Verstärkung durch ihre Hebammen Freundin Julia geholt. Um 0.30 Uhr war dann auch Julia da.
Ich lief zwischen den Wehen herum. Wenn eine Wehe kam, habe ich mich vorn übergebeugt mich an einem Schrank, einer Stuhllehne festgehalten, geatmet, ‚o‘ oder ‚a‘ getönt. Immer wieder an meinen Beckenboden gedacht: Entspannen! Schon bei meiner zweiten Geburt wurde mir von einer Hebamme geraten mich auf eine warme Wärmflasche zu setzen. Das half mir beim Beckenboden Loslassen und Entspannen.
Eine Wehe habe ich mich hingelegt. Unmöglich! Die Schmerzen waren nicht zum Aushalten. Ich musste stehen. Ich habe auch den Geburtshocker ausprobiert, aber auch den mochte ich nicht.
Routiniert haben mein Mann und ich irgendwann zwischen 2 Wehen eine kleine Matratze im Erdgeschoss vor der Couch hingelegt und sie mit Matratzenschutz abgedeckt. Auf der wurde schon unser 2. Sohn geboren. Jetzt wurden die Wehen noch heftiger. Stehen ging nicht mehr. Ich habe mich schon wie beim 2. Kind auf alle viere gehockt. Innerlich stellte ich mich auf ein paar beschwerliche Stunden ein. Aber das Zeitgefühl hatte ich da schon längst verloren. Allerdings hatte ich keine Lust ein Kind mitten in der Nacht zu bekommen. Aber ändern konnte ich das auch nicht.
Margaretha und Julia haben sich lange im Hintergrund gehalten. Und mich machen lassen. Intuitiv wusste ich was ich wollte. Wann ich stehen, laufen, sitzen und mich hinknien wollte. Ich spürte wie mein Becken sich mit jeder Wehe weitete und zerquetschte meinem Mann die Hand, der vor mir auf der Couch saß. Mein Mann ist dann nach den Jungs im Obergeschoss schauen gegangen. Aber die schliefen tief und fest. Als ich laut ein Schimpfwort rief, rannte er schnell wieder runter zu uns. Noch mal habe ich laut das Schimpfwort geschrien. Mein Körper sagte jetzt: Pressen! Und da war es wieder dieses total krasse Gefühl einen Kopf zwischen den Beinen zu haben. 1. Presswehe. 2 mal mitschieben …
… und dann war unser Baby da. Klein und zerknautscht. Das wars? Keine weiteren Wehen?
Und dann erst mal genauer hinschauen. Da lag unser drittes Kind zwischen meinen Beinen. Ein Mädchen. Was für eine Überraschung! Wir haben eine Tochter. 1.30 Uhr. Sich mit ihr auf die unsere Couch zu legen, war ein seeliges Gefühl. Und dieser intensive Blick, ganz aufmerksam, wie ihre Brüder. Auch das erste Andocken hat funktioniert.
Die Plazenta hat sich dann noch Moment Zeit gelassen. Pressen ging jetzt überhaupt nicht mehr. Hier wurde Julia dann ganz wichtig. Sie hatte vor kurzem einen Trick kennengelernt. Ich sollte in eine leere Flasche pusten. Schwupps war auch die Plazenta da.
Um 3.00 Uhr war ich dann im eigenen Bett. Mit unserer Tochter neben mir im Beistellbett.
Als am Morgen unsere Jungs wach wurden, haben wir ihnen ihre Schwester Hedi vorgestellt. Sie hatten die gesamte Nacht durchgeschlafen. Ich war so fit, dass ich sogar schon mit am Frühstückstisch sitzen konnte.
Das Schöne an einer Hausgeburt für mich ist, die Selbstbestimmtheit. Ich kann meine beiden Hausgeburten mit der Krankenhausgeburt vergleichen. Im Krankenhaus musste ich liegen und habe mich so fremdbestimmt gefühlt. Margaretha hat sich bis ganz zum Schluss zurückgehalten. Am Ende war sie mir eine große Stütze mit der Hand am Rücken und wohltuenden Worten.