17. September 2016
20:30 Mein Mann Joris und unsere Tochter sind beim Grillen bei den Nachtbern und alle aus unser Straße sind eingeladen. Obwohl ich mich gut fühle, bleibe ich heute Abend zu Hause, ich brauche meine Ruhe. Am 12. September war der errechnete Termin, es kann also noch etwas dauern, aber es wird sich nicht mehr um Wochen handeln. Ich bin bereit.
Ich fühle mich selbstsicher und in meiner Kraft. Ich sehne mich darnach, dass es losgeht. Von der Geburt meiner Tochter weiß ich, wie wunderbar und wichtig es ist in mein eigenem Haus, in Selbstregie, ungehemmt, die Wehen zu veratmen und so auf die Geburt hinzu zu arbeiten. Es kam mir nie die Frage, ob ich im Krankenhaus gebären wollte, auch bei meiner ersten Geburt nicht.
Es gab auch keinen medizinischen Grund, weshalb es sinnvoll gewesen wäre, um die Entscheidung für eine Hausgeburt in Frage zu stellen. Unabhängig von der Tatsache, dass es gut ist, dass es ein Krankenhaus in der Nähe gibt wenn es nötig ist, ist es selbstverständlich, dass ich einfach zu Hause gebären möchte. Zu Hause und ohne Schmerzmittel. Ich will die maximale Verbindung mit meinem Körper, ich möchte fühlen was in mir passiert, um auf die Signale zu reagieren. Ich möchte bei klaren Bewusstsein sein, um zu spüren was mein kleines Kind von mir braucht, um geboren zu werden. Ich will die Unterstützung der Engel fühlen.
Ich liege wunderbar auf dem Sofa, genieße den schönen Spätsommerabend, habe die Beine hoch gelegt, Tasse Tee und lese ein nettes Buch. Hee! Ich fühle einen Krampf in meinem Bauch … ist das der Anfang?
Später bekomme ich noch ein paar von diesen Vorwehen. Es ist noch viel Zeit zwischen den Wehen. Mein Mann und meine Tochter kommen heim. Sobald unsere Tochter im Bett liegt erzähl ich Joris, dass ich ab und zu ein Stechen fühle. Wir gehen zu Bett. Normalerweise nehme ich immer mein Haarband raus, um mit offenen Haar zu schlafen, heute Nacht nicht. Ich bin vorbereitet für eventuelle ‚sportliche‘ Aktivitäten. Meinem Mann fällt es natürlich auf … „ muss dein Haarband nicht noch raus?“ Seine Stimme ist etwas an gespannt, innerlich muss ich lächeln, er spürt deutlich, dass etwas in der Luft liegt.
Ich liege im Bett und fühle, dass das Ziehen im Unterbauch zurück gekommen ist, es wird stets regelmäßiger und deutlicher. Ich bin mir sicher, es hat angefangen. Ich rolle wieder aus dem Bett, ziehe meine Jogginghose an und gehe runter. Ich laufe in einem meditativen Rhythmus durch das Wohnzimmer, immer die gleiche Runde. Manchmal halt ich mich an meinem Stuhl fest und veratme eine Wehe. Herrlich ist das. Während der Wehe wieder hole immer wieder mein Mantra „ ja,ja komm einfach“. Alles ist still, ich habe meinen Mann gebeten, nicht mit mir zu sprechen und mich in Frieden zu lassen. Stille, Lampen aus und Bewegung brauche ich. Es darf mich niemand ablenken, ich muss mich konzentrieren auf das Willkommenheißen und Veratmen der Wehen.
18. September
Um 00:30 bitte ich meinen Mann, unsere Freundin Marie an zu rufen um unsere Tochter ab zu holen. 20 Minuten später ist sie da. Ich bin high von den Wehen und fühle mich tief verbunden mit Marie. Ein paar ermutigende Worte von Frau zu Frau, dann nimmt sie unsere Tochter mit und ist es wieder ruhig und still im Haus.
Es geht gut, ich fühle es. Ich bin in meinem Element. Die Wehen komme wahnsinnig schnell nach einander. Mein Mann drängt darauf Margaretha an zu rufen. Er sieht, dass es schnell geht. Ich fühle mich in meiner weiblichen Kraft und möchte davon nichts wissen. Wenn es nötig ist, schaffe ich es auch alleine. Warum mischt er sich überhaupt ein?
Es wird heftig, ich gehe unter die Dusche, warmes Wasser auf meinem Rücken. Oh man, was sind die Wehen heftig. Ich verliere ein bisschen Blut und es gibt nur noch eine Art die Wehen aufzufangen, hängend, hockend – fühle ich Presswehen? Ich bin erschöpft, zum ersten Mal in dieser Nacht weiß ich nicht so gut was ich machen soll und wie ich es schaffen kann. Ich muss mich hinlegen. Ich schaffe es grade noch mich aufs Bett zu legen, aber etwas an zu ziehen ist mir zu viel. Ich liege in unserem Bett, es ist dunkel und muks mäuschen still. Bei jeder Wehe drückt mein Mann mir eine Wärmflasche gegen mein Kreuzbein. Es hilft. Zum Glück hat er doch heimlich Margaretha angerufen. Sie kommt ruhig in unser Schlafzimmer und schließt sich dem Geschehen an. Das Licht bleibt aus, sie benutzt eine kleine Taschenlampe, um ihre Arbeit aus führen zu können. Ich muss mir nichts anziehen. Sie spricht ruhige sachte Worte. Ich bin froh, dass sie da ist und ehrlich gesagt ich bin auch dankbar, dass mein Mann sie gebeten hat her zu kommen.
Margaretha stellt fest, dass unser Kind ins Fruchtwasser gemacht hat (kleine Anmerkung: grünes Fruchtwasser ist in NL ein Grund um eine Hausgeburt ins Krankenhaus zu verlegen, wenn noch genug Zeit ist und nicht die Gefahr besteht, dass das Kind im Krankenwagen zur Welt kommt). Sie erklärt, dass dies ein Grund ist um ins Krankenhaus zu fahren und fragt was ich möchte. Ich kann mir nicht vorstellen wie ich es schaffen kann, mit diesen starken Wehen noch irgendwo hin zu fahren, aber ich fühle mich auch verantwortlich für die Gesundheit meines Kindes und willige ein „Ruf an und sag, dass wir kommen.“ Margaretha fühlt nochmal wie weit der Muttermund geöffnet ist und ich höre sie sagen: Floortje, dein Muttermund ist ganz offen, wir können nicht mehr ins Krankenhaus fahren, du wirst hier und jetzt dein Kind gebären.“ Oh, auf einmal bin ich ganz wieder da, es wird jetzt passieren, auf diesen Moment habe ich so lange gewartet. Also deswegen waren die Wehen so stark.
Margaretha ermutigt mich bei der nächsten Wehe mit zu schieben. Ich liege im Bett und fühle keinen Wiederstand, nichts was ich schieben kann. Margaretha holt ihren Geburtshocker und bittet mich mich drauf zu setzen, mein Mann bekommt auch ruhige und klare Anweisungen wie er mich unterstützen kann. Er sitzt hinter mir. Ich fühle wieder eine Wehe und schiebe mit. Jetzt, wo ich sitze, geht es leichter. Ich fühle mich wieder in meiner Kraft. Ich spüre ein brennendes Gefühl als das Köpfchen meines Babys probiert sich ein Weg nach draußen zu bahnen. Margaretha spricht sanft aber fest entschlossen und ein bisschen streng mir zu: „ Flora, ich will, dass du jetzt presst.“ Ich fühle den Ernst aber auch das Vertrauen in ihrer Stimme. Wieder eine Wehe, mit all meiner Kraft schiebe ich mit. In meiner letzten Phase der Verzweiflung rufe ich: „Ich kann es nicht!“ Kurze Zeit bleibt es still, dann höre ich wie Margaretha mit leicht ermutigendem Tonfall sagt: „Ich sehe Haare.“ Auf einmal wird mir wieder bewusst, ich hattes es beinah durch den Wehen-sturm vergessen, worum es hier eigentlich geht: mein Kind wird geboren! Und es hat schon Haare! Margaretha kann es schon sehen. Ich will es auch sehen! Ich sammle all meine Kraft und mit einem Schrei presse ich mein Kind ins Erdenleben. Mein Mann weint, ich bin im siebten Himmel. Was für ein Glück, Sonntagmorgen 18. September, zwischen vier und fünf wird unser Sohn Pelle geboren.
Am nächsten Tag erzählte Margaretha, dass dies die „dunkelste“ Geburt war, die sie bis jetzt erlebt hat und dass sie während der Geburt an das holländische Adventslied „Stil nu“ denken musste. Wir singen es immer noch jeden Abend und wenn Pelle getröstet werden muss, es hat auf ihn eine beruhigende Wirkung.
Ich bin dankbar, dass Margaretha mich in meiner Selbstbestimmtheit unterstützt hat, dass sie bereit war, sich auf meine Rahmenbedingungen einzulassen. Ihre Ruhe und Liebe und ihr Vertrauen waren ein großes Geschenk in einem der schönsten und wichtigsten Momente meines Lebens und dem meines Mannes. Dies war der Rahmen, den ich brauchte, um mich frei zu fühlen, um zu gebären. Es ist für mich eine unfassbar schöne Erinnerung, die mich für immer begleiten wird.